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9. Februar 2011 3 09 /02 /Februar /2011 09:04

Die Verteuerung der Nahrungsmittel schürt Unruhe. Schuld sind höhere Nachfrage, Wetter, Biospritproduktion und ungezügelter Rohstoffhandel. Hilfe für die Bauern ist nicht billig, aber nötig.


Im theoretischen Modell ist die Sache einfach: Wächst die Nachfrage nach einem Gut und das Angebot nicht, so steigt der Preis des Guts. Der höhere Preis führt dann zu weniger Nachfrage, und der Markt ist wieder im „Gleichgewicht“. In der Praxis des Agrargütermarktes führt dieses neue Gleichgewicht jedoch nicht zu allgemeiner Harmonie, sondern zu Aufständen, Hunger und Millionen Toten. Wie derzeit.

Die Zahl der weltweit Unterernährten ist wieder über eine Milliarde Menschen gestiegen. Grund ist keine echte, physische Knappheit an Nahrungsmitteln, sondern das, was vornehm „fehlender Zugang zu Nahrungsmitteln“ genannt wird. Kurz: Essen ist teuer geworden. Im Januar erreichte der Nahrungsmittel-Preisindex der Welternährungsorganisation FAO ein Rekordhoch. Was in Deutschland zu einem leichten Anstieg der Inflationsrate um etwa einen Prozentpunkt führt, bringt andernorts Menschen in Existenznöte. Schließlich gibt ein ukrainischer Haushalt 60 Prozent seines Budgets für Nahrungsmittel aus, in Indien sind es etwa 80 Prozent.

Das schürt Unruhe. Die Revolten in Tunesien oder beim größten Weizenimporteur Ägypten sind zumindest teilweise auf die Nahrungsmittelpreise zurückzuführen. Dass die Lage in vielen armen Ländern noch ruhig bleibt, liegt lediglich daran, dass das weltweit wichtigste Agrargut – Reis – noch verhältnismäßig billig ist. Doch auch der Reispreis legt langsam zu. Grund ist ein Rückgang der Aussaat: Bauern können mehr Geld mit Soja oder Mais machen.

Als Hauptursachen für den allgemeinen Preisanstieg gelten derzeit: die wachsende Nachfrage in den reicher werdenden Schwellenländern, Wetterkatastrophen, der Anbau von Pflanzen zur Biospritproduktion und die Spekulation mit Rohstoffen. Besonders Letztere steht derzeit am Pranger. Zwar sind sich Experten einig, dass die Spekulation einen Einfluss auf die Agrargüterpreise hat. Umstritten ist aber, wie groß er ist. Während die Weltbank die Anlagefonds in einer „Schlüsselrolle“ am Agrarmarkt sieht, hält die FAO sie bestenfalls für mitschuldig an der Preishausse.

Biospritproduktion verschärft die Knappheit

Tendenziell aber steigt die globale Nachfrage nach Nahrungsmitteln stärker als das Angebot. Es herrscht zwar keine absolute Knappheit. Aber die Produktionsreserven sind geschrumpft. Und die Produktion braucht in der Landwirtschaft lange, bevor sie auf Nachfragespitzen reagieren kann.

Verschärft wird die latente Knappheit durch die Biospritproduktion: 40 Prozent der US-Maisernte und 55 Prozent des brasilianischen Zuckerrohrs werden bereits verfeuert. In dieser prekären Situation führen Ernteausfälle durch Stürme oder Dürren zu Preissprüngen. Finanzanleger nutzen diese, investieren in Rohstoffe, treiben die Agrargüternotierungen in die Höhe.

Wie soll die Politik nun mit den Rohstoff-Spekulanten umgehen? Moralisch ist dies kein Problem: Schließlich ist es abzulehnen, wenn Investoren mit dem Hunger der Welt ihre Rendite aufpäppeln. Ökonomisch ist die Sache weniger eindeutig. Einerseits spielen Finanzanleger mit ihrer Nachfrage auch eine preisstabilisierende Rolle am Agrarmarkt. Zudem wäre mit einem Verbot der Rohstoffspekulation das Grundproblem der latenten Nahrungsmittelknappheit nicht gelöst. Das Minimum wäre daher eine scharfe Regulation des Rohstoffhandels sowie eine Beschränkung der Mengen, die dort gehandelt werden dürfen. In den USA ist dies bereits eingeführt, in Europa bislang nur angedacht.

Eine solche Regulation wäre für die Industriestaaten eine billige Lösung, was ihren Charme ausmachen dürfte. Die Lösung des Grundproblems jedoch kostet Geld: Geld für die Förderung von Kleinbauern in Entwicklungsländern, für ihre technische Ausstattung, für bessere Vertriebssysteme, für lokale strategische Reserven, für die Umstellung der Biospritproduktion auf pflanzliche Abfälle.

Dieses Geld wird der Markt freiwillig kaum bereitstellen – die Renditen, die mit Kleinbauern erwirtschaftet werden können, sind gering. Daher sind die Staaten gefragt, weltweit. Zur Überwindung der Unterernährung bräuchten die Entwicklungsländer laut FAO jährlich 44 Milliarden Dollar an Investitionen. Zum Vergleich: Das ist einerseits doppelt so viel, wie die G-8-Staaten zur Förderung der Agrar-Entwicklung versprochen haben. Andererseits entsprechen die 44 Milliarden nur einem Drittel der Bezüge, die die 25 größten Wall-Street-Firmen ihren Angestellten 2010 ausgezahlt haben; oder 0,3 Prozent des Marktwerts der weltweit gehandelten Derivate.

Quelle: http://www.fr-online.de/politik/meinung/spekulation-auf-den-hunger/-/1472602/7170946/-/index.html

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