Die Friedensbewegung in Deutschland warnt vor einer Kriegseskalation in Libyen im Fall einer NATO-Intervention. Der Bundesausschuß Friedensratschlag forderte am Dienstag die Bundesregierung auf, sowohl in der NATO und in der EU als auch im UN-Sicherheitsrat allen Bestrebungen entgegenzutreten, die ein militärisches Eingreifen in dem nordafrikanischen Land zum Ziel haben. »Was die Bevölkerung in Libyen am dringendsten braucht, sind ein Waffenstillstand und internationale Bemühungen – vor allem von seiten der Afrikanischen Union – um eine neutrale Vermittlung zwischen den Konfliktparteien«, heißt es einer Stellungnahme des wohl wichtigsten und größten Zusammenschlusses von Antikriegsgruppen in der BRD. Es sei »unverständlich«, so Peter Strutynski vom Friedensratschlag, weshalb der kürzlich vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez entworfene Friedensplan vom Westen übergangen wurde. Solange in den USA und in der EU einseitig auf den Sturz von Staatschef Muammar Al-Ghaddafi gesetzt werde, rücke eine Lösung des Konflikts in weite Ferne. Die libysche Regierung selbst lud am Dienstag EU und UNO ein, Beobachter zu entsenden, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen.
Die Einrichtung einer Flugverbotszone (»No-Fly-Zone«) stellt eine »Kriegshandlung« dar, so der Friedensratschlag. Allein die diesbezüglichen NATO-Planungen hätten schon jetzt dazu beigetragen, den Konflikt weiter anzuheizen. »Das Ghaddafi-Regime kann sich dadurch zum Verteidiger der nationalen Ölinteressen aufspielen, und der ›Nationalrat‹ der Opposition sieht keine Veranlassung zurückzustecken, weil er sich in der Hoffnung wähnt, die NATO käme ihm aus der Luft zur Hilfe.« Gegenwärtig deute vieles auf einen »zähen und langwierigen Bürgerkrieg« hin. Beide Seiten beanspruchen für sich, jeweils für das ganze Land zu sprechen, aber keine Seite kann der anderen einen entscheidenden Schlag versetzen. Jedes militärische Eingreifen von außen würde zusätzliches Öl ins Feuer gießen. »Interventionsplanspielen der NATO oder der EU muß entschieden entgegengetreten werden«, so der Friedensratschlag.
Ähnlich äußerte sich die DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner). Verbandssprecher Monty Schädel warnte am Dienstag vor einer Eskalation des Konflikts. Anstelle einen weiteren Krieg verbal und durch Truppenkonzentrationen direkt vorzubereiten, sollten die reichen Länder ihre zivile humanitäre Verantwortung wahrnehmen.
NATO und EU beraten am Donnerstag und Freitag das weitere Vorgehen. Das Völkerrechts wird dabei– wie schon bei den Interventionen in Jugoslawien und im Irak – offensichtlich als nachrangig erachtet. Aus westlichen Regierungskreisen wurde am Dienstag bereits an die Medien die Lüge durchgesteckt, ein UN-Mandat für eine Flugverbotszone sei zwar »wünschenswert, jedoch nicht zwingend notwendig«. Die Arabische Liga widersprach inzwischen Berichten aus Frankreich, ein Flugverbot zu befürworten. »Wir werden kein unilaterales Vorgehen unterstützen, und wir werden keine Einmischung des Auslands in die inneren Angelegenheiten Libyens tolerieren«, sagte Liga-Sprecher Hescham Jussef am Montag abend. Voll auf NATO-Interventionskurs ist dagegen der sogenannte Golfkooperationsrat, in dem die reaktionären Regime Kuwait, Bahrain, Saudi-Arabien, Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Oman zusammengeschlossen sind.