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14. März 2011 1 14 /03 /März /2011 15:17

Flüchtlinge retten – der Bevölkerung politisch und zivil helfen
Westliche Militär-Intervention in Libyen verbietet sich


Zur Diskussion um eine Flugverbotszone und militärisches Eingreifen in Libyen erklärt Manfred Stenner, Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative:


In Libyen geht es den Aufständischen wie zuvor in Tunesien und Ägypten um die Beseitigung eines Despoten, um mehr Gerechtigkeit und Freiheit, um die Respektierung ihrer Menschenrechte und eine Entwicklungsperspektive für sich und ihre Region. Kein Zweifel, wo in einer solchen Situation die Sympathien von menschenrechtlich orientierten Gruppen der Friedensbewegung liegen.


Der Aufstand gegen das autokratische Regime in Libyen hat es leider ungleich schwerer als in den Nachbarländern. Anders als Ben Ali und Mubarak findet Gaddafi den Notausgang nicht bzw. er wird bisher nicht von einem einsichtigerem Militärrat dort hinausgeschubst. Er will sein Regime mit einem Krieg gegen das Volk retten.


Völlig untauglich ist die derzeitige mit moralischer Verve vorgetragene Forderung nach „humanitärer Intervention“ durch zahlreiche selbsternannte Militärstrategen u.a. im Europäischen Parlament. Palavert wird von Flugverbotszonen, Waffenhilfe für die Aufständischen und Militäraktionen der EU, zur Not auch ohne UN-Mandat – Völkerrecht hin oder her.


Moralisch gerechtfertigter Entrüstung über den Schlächter Gadaffi folgt eine beängstigende Kriegsrhetorik, die die vorhersehbaren wie die unberechenbaren Folgen ausblendet. Ausgesprochen wird dies von Vertretern europäischer Politik, die das Gadaffi-Regime noch bis vor kurzem hofiert haben.


Vor einem militärischen Eingreifen in den Bürgerkrieg warnen aus guten Gründen nicht nur Pazifisten. Die Durchsetzung des vielstimmig geforderten, aber militärisch gar nicht entscheidenden Flugverbots bedeutet den Kriegseintritt, beginnend mit der massiven Bombardierung des libyschen Radars, von Flugabwehr und Rollfeldern mit wahrscheinlich auch vielen zivilen Opfern. Es folgt in der Logik des Krieges weitere Eskalation durch Verlegung von Flugabwehr in Wohngebiete, Kämpfe gegen libysche Kriegsschiffe und Panzer, letztlich auch eine NATO-Invasion mit Bodentruppen. Die Opfer unter der Zivilbevölkerung wären hoch, der ursprüngliche Aufstand in Libyen und weit darüber hinaus als pro-westlich diskreditiert, die politischen Folgen in Nordafrika und der arabischen Welt unabsehbar.


Diese militärische und politische „Rutschbahn“ wird von der Bundesregierung und vielen NATO- Mitgliedern durchaus gesehen. Noch beschränkt man sich auf Kanonenbootpolitik und dem Aufbau einer militärischen Drohkulisse im Mittelmeer.


Reale und notwendige „humanitäre Intervention“ der Europäische Union bedeutet aber, effektive Anstrengungen für die Evakuierung und humanitäre Versorgung der zehntausenden Flüchtlinge und z.Zt. in Libyen festsitzenden Gastarbeiter zu leisten – auch durch Aufnahme in Europa. Flüchtlingsboote dürfen nicht länger auf dem Meer zurückgewiesen oder abgedrängt werden. Tunesien und Ägypten müssen jede erdenkliche Hilfe zur Versorgung der dorthin Geflohenen erhalten

(siehe auch den Appell von PRO ASYl und medico international:
http://www.proasyl.de/de/home/aktion-fluechtlinge-aus-libyen-aufnehmen/).


Wo immer möglich, sollte z.B. über Bengasi medizinische Hilfe und Versorgung für die Bevölkerung ins Land gebracht werden.

Auch jede bisher getroffene und weitere wirtschaftliche und politische Sanktionen gegen das libysche Regime und zu dessen Isolation sind richtig. Über Kontensperrungen hinaus muss auch der Export libyschen Öls unterbunden werden. Auch richtig: Gadaffi gehört nach den Haag.  Aber auch die bisherige Kumpanei der europäischen Politik und Wirtschaft mit dem Gaddafi-Clan gehört aufgearbeitet – politisch und vor Gerichten.


Die Motive der EU-Regierungen für ihre jetzige rhetorische Solidarität mit den Umbrüchen in Nordarika werden zu Recht argwöhnisch betrachtet. Ein Paradigmenwechsel zu uneigennütziger Kooperation ist bisher nicht zu erkennen. Rohstoffsicherung, wirtschaftliche Vorteilsnahme und Flüchtlingsabwehr der „Festung Europa“ stehen weiter im Vordergrund. So ist zu befürchten, dass auch bei einer möglichen Restauration eines despotischen Regimes in Libyen nach einer Schamfrist eine gedeihliche Zusammenarbeit gefunden werden wird.


Manfred Stenner
Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative

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Kommentare

B
<br /> Libyens Regierung hat eine sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen erklärt. Das gab Außenminister Mussa Kussa bei einer Pressekonferenz in Tripolis bekannt. "Die Republik Libyen unternimmt<br /> alles, um die Zivilbevölkerung zu schützen und ihr die benötigte humanitäre Hilfe zukommen zu lassen", sagte er. "Als ein Mitglied der Vereinten Nationen akzeptieren wir es, dass wir verpflichtet<br /> sind, Sicherheitsratsresolutionen zu respektieren." Libyen sei bereit zum Dialog. Das zeigt doch mal wieder, dass Gewalt hilft oder vielmehr die Androhung von Gewalt. Wollen wir hoffen, dass es für<br /> die dortigen Menschen friedlich ausgeht.<br /> <br /> <br />
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