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25. Januar 2011 2 25 /01 /Januar /2011 04:02

EU-Staaten tauschen Informationen über „Störer“ aus. Gemeint sind politische Protestierer. Ob sie sich überhaupt strafbar gemacht haben, spielt keine Rolle.

Am 4. Oktober 2010 feuerte eine US-Drohne an der pakistanisch-afghanischen Grenze eine Rakete ab. Mindestens drei Menschen, allesamt junge Männer, starben bei dem Angriff. Das passiert hier regelmäßig. Einer der Toten war ein Deutscher. Das war ungewöhnlich.

Bünyamin E., 20 Jahre alt, soll in einem Terroristencamp trainiert haben; die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelte gegen ihn. Nach seinem Tod ermittelt aber niemand gegen diejenigen, die ihn getötet haben, gegen die US-Soldaten am Steuerpult der ferngelenkten Drohnen und gegen deren Vorgesetzte.

Deutsche Behörden tun sich schwer damit, Verbündete im Krieg gegen den Terror zu verfolgen, wenn sie deutsche Staatsbürger töten oder entführen wie im Fall des Hamburger Islamisten Mohammed Zammar im Herbst 2001. Hingegen haben deutsche Behörden keine Bauchschmerzen, wenn sie Personendaten an Sicherheitsorgane anderer Staaten übermitteln, und zwar auch dann nicht, wenn die verdächtigten Menschen bisher nie verurteilt worden sind. Der Fall Bünyamin E. zeigt, was im Extremfall geschehen kann, wenn Daten über vermeintliche Terroristen von fremden Diensten ausgewertet werden: Die US-Armee hat den 20-Jährigen zum Terroristen erklärt und ihn ohne Gerichtsverfahren quasi hingerichtet.

In Zukunft werden fremde Sicherheitsbehörden viel häufiger als heute gegen Bürger anderer Staaten vorgehen, ohne das vorher ein unabhängiges Gericht deren Schuld festgestellt hat. Der Rat der Europäischen Union treibt ein Datenaustauschprogramm voran, deren Dimension die bisherige Sicherheitszusammenarbeit der Mitgliedstaaten in den Schatten stellt.

Seit der Gründung des Europäischen Polizeiamtes (Europol) am 1. Januar des vergangenen Jahres entsteht in Den Haag ein umfassendes Analysezentrum. Dort werden Personendaten aus den einzelnen EU-Staaten ausgewertet und an Europol-Mitglieder und Drittländer weitergegeben. Ausdrücklich vorgesehen ist, dass bei Europol nicht nur Daten von Verurteilten, sondern auch von Menschen eingespeist werden, die irgendeine Dienststelle in Verdacht hat, sie könnten eine Straftat begehen.

In Zeiten der globalisierten organisierten Kriminalität ist das keine schlechte Idee, könnte man meinen. Doch fällt auf, dass die nationalen Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren vor allem Informationen über kritische politische Geister austauschten. Die jüngst öffentlich gewordenen Spitzel-Geschichten aus der Protest-Szene in Großbritannien und Deutschland geben einen nur kleinen Einblick in die Spitzel- und Datentauschaktionen der EU-Staaten.

Wer in Europa zivilen Ungehorsam in politischen Dingen zeigt, muss offenbar damit rechnen, dass ausländische Polizei-Behörden sich für ihn interessieren, vor allem, wenn er zu Demonstrationen in andere EU-Staaten reist. Wer Gleise schottert, weil er die Atompolitik ablehnt, Masttieranlagen aufbricht, weil er Käfighaltung ablehnt, oder Autobahnen blockiert, weil er Studiengebühren ablehnt, könnte sich in der Igast-Datei des BKA wiederfinden, Igast wie „International agierende gewaltbereite Störer“. Gesammelt wird alles, was sich über einen potenziellen Demonstranten in Erfahrung bringen lässt. Von besonderem Interesse sind Kommunikationsmittel und Zugehörigkeiten zu verschiedenen Gruppen. So empfiehlt es der EU-Rat in einem Leitfaden.

Der lang währende Streit innerhalb der Regierungskoalition in Berlin um die Vorratsdatenspeicherung ist ohne die Strategie von Europol nicht zu verstehen. Mit deutlich weniger Aufwand und Kosten soll es künftig zum Beispiel möglich werden, eine Großveranstaltung der Nato gegen Demonstranten zu „schützen“. Allein aus der elektronischen Kommunikation von Teilnehmern lässt sich ermitteln, wie sie zur Demonstration kommen, wer die wichtigsten Köpfe einer Gruppe sind, zu wem sie Kontakt halten. Das Wiesbadener Bundeskriminalamt hat bereits mehrfach Daten über Demonstranten an andere Staaten übermittelt. Auch soll das BKA Daten zu dem mutmaßlichen Islamisten Bünyamin E. an US-Behörden weitergegeben haben. Im ersten Fall sind womöglich Demonstranten an der Grenze zurückgeschickt worden, im zweiten aber ist ein Mensch getötet worden.

Das Mantra der Polizeibehörden lautet stets: „Wer nichts verbrochen hat, hat auch nichts zu befürchten“. Das aber klingt vor diesem Hintergrund geradezu absurd. Die grundrechtliche Unschuldsvermutung wird ausgehebelt, wenn ein Kommunikations- und Bewegungsprofil eines jeden Menschen vorsorglich gespeichert wird. Und wenn allein auf Grundlage dieser Datenauswertungen der Polizeibeamten Strafen vollzogen werten.

So sinnvoll es ist, wenn Polizei-Dienststellen verschiedener Staaten zusammenarbeiten, sie dürfen politische Bewegungen nicht kriminalisieren, und sie dürfen nicht, ohne dass unabhängige Gerichte Urteile gefällt haben, sanktionieren.

Quelle: http://www.fr-online.de/politik/meinung/polizei-im-datenrausch/-/1472602/6604506/-/index.html

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20. Januar 2011 4 20 /01 /Januar /2011 18:43

Plattform zur gleichzeitigen, automatisierten Auswertung von Daten aus (auch fliegenden) Videokameras, Polizeidatenbanken und dem Internet.

INDECT (Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment) hat sich bis 2013 viel vorgenommen: Das Ziel ist nicht weniger als die Entwicklung einer Plattform zur gleichzeitigen, automatisierten Auswertung von Daten aus (auch fliegenden) Videokameras, Polizeidatenbanken und dem Internet. Das Projekt beforscht die "automatische Aufdeckung von Bedrohungen" und eine "Erkennung von abnormalem Verhalten oder Gewalt", um die "operativen Aktivitäten von Polizisten" technisch zu unterstützen. INDECT will dem immer wieder gern erklärten Kampf gegen Terrorismus und Kinderpornographie zur Seite springen will.

Kürzlich erklärten die Projektbeteiligten, dass das Projekt zukünftig auf Tauchstation geht: Fortan werden keine sensiblen Informationen des EU-Vorhabens veröffentlicht, sofern sie eine nicht näher bezeichnete "nationale Sicherheit" gefährden (Wer nichts getan hat, muss auch nichts befürchten). Vielleicht waren die INDECT-Macher auch nur beleidigt über den Rummel, den das Projekt seit 2 Jahren unter Bürgerrechtlern, Datenschützern, Netzaktivisten und Parlamentariern auslöst? ...

..."Vorsicht vor Produktfälschern!", meldete INDECT gestern. Die Internet-Aufpasser haben eine "seltsame", "störende" Webseite im Internet  bemerkt, deren Adresse der Originalseite stark ähnele. Die INDECT-Macher haben herausgefunden, dass die neue Seite in Köln registriert ist. Ihr Inhalt sei täuschend ähnlich und wahrscheinlich schlicht kopiert - bis auf einige störende Details, etwa die Behauptung, dass INDECT die weltweite
Überwachung der Menschheit befördert
telepolis 20.01.2011 (Rötzer)
INDECT meldet Produktfälschung
Das als "Bevölkerungsscanner" kritisierte EU-Forschungsvorhaben mag eine überwachungskritische Webseite nicht - doch wo sonst gibt es Auskunft über das umstrittene Projekt?
http://www.heise.de/tp/blogs/6/149107

Das Original: http://www.indect-project.eu/events/global/beware-of-counterfeiters

Die Fälschung, die nichts verschweigt: http://indectproject.eu/

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2. Januar 2011 7 02 /01 /Januar /2011 16:21

Jeder achte illegale Einwanderer kommt über Griechenland in die EU - damit soll bald Schluss sein. Ein mehr als 200 Kilometer langer Zaun entlang der Grenze zur Türkei soll den Strom stoppen. Vorbild ist der umstrittene US-Schutzwall gegen Mexiko.

Sollte Griechenland mit der Unterstützung der EU tatsächlich eine Mauer an der Grenze zur Türkei bauen, wäre dies nicht nur ein Affront gegenüber dem Land, mit dem noch Beitrittsverhandlungen geführt werden, es wäre auch ein Eingeständnis, dass die EU eine Festung ist. Symbolisch käme wohl hinzu, wenn dies ausgerechnet in dem Land gemacht würde, das als Geburtsstätte der westlichen Demokratie gilt, und symbolisch wäre natürlich auch, wenn nun ein westliches europäisches Land wieder an der Mauer baut, die man nach dem Ende des Kalten Kriegs eingerissen hat. Symbol deswegen, weil ein Zaun einer Mauer gleicht, auch wenn virtuelle Grenzen, in die sich die EU schon eingeschlossen hat, genauso effektiv sein können.

telepolis 02.01.2011 (Rötzer)
Griechenland will eine Mauer zur Türkei
Um die Flut der Migranten zu stoppen, die über die Landgrenze zur Türkei kommen, überlegt Griechenland, sich den schon bestehenden gated nations anzuschließen
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33950/1.html

--

FrontEx ist ein Ende zu machen - bevor es weiteren Menschen das Ende macht - Deutsche Polizisten prangern unhaltbare Zustände an griechisch-türkischer Grenze an

Menschen würden mit körperlicher Gewalt am Grenzübertritt gehindert, berichten deutsche Beamte, zum Teil würden sie mit Schüssen vertrieben und dabei in ein Gebiet mit Panzerminen gejagt. Festgenommene würden in baufälligen Kastenwagen ohne Sitze und Fenster in Aufnahmelager transportiert, wo sie unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht und vernommen würden. Die hygienischen Zustände dort seien so schlecht, dass Beamte Mundschutz und Handschuhe trügen. Weil Methoden und Umstände gegen deutsches Recht verstießen, hat der zuständige Kontingentleiter bereits angeordnet, dass seine Beamten sich nicht mehr an bestimmten Einsätzen beteiligen.

SPIEGEL 11.12.2010
http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,734098,00.html

frontexwatch  keepin` an eye on the Kerberos of the EU border regime
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10. Dezember 2010 5 10 /12 /Dezember /2010 01:13

Das ECCHR hat heute die Publikation Blacklisted über die Terrorismuslisten veröffentlicht. Der von Gavin Sullivan und Ben Hayes verfasste Bericht enthält ein Vorwort von Martin Scheinin, dem scheidenden UN-Sonderberichterstatter für den Schutz der Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus. Er enthält eine detaillierte Kritik an den Systemen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union zur Aufnahme von Terroristen in schwarze Listen (sogenanntes ‚blacklisting').

Zunächst bietet der Bericht eine Übersicht über Verletzungen der Grundrechte durch die Terrorismuslisten und über die wichtigsten Fälle der europäischen Rechtsprechung des letzten Jahrzehnts. Es folgt eine Analyse der politischen Auswirkungen und Probleme des Verfahrens und eine kritische Einschätzung der strukturellen Reformmöglichkeiten. Im Anschluss wird dargelegt, dass das Listensystem momentan eine Legitimitätskrise durchläuft. Die Autoren setzten sich mit den Empfehlungen von Martin Scheinin, auseinander, der dafür eintritt, dass die Listen abgeschafft werden sollten. In seinem Vorwort schreibt Scheinin:

Egal welche Rechtfertigung es im Jahre 1999 für gezielte Sanktionen gegen die Taliban als faktische Machthaber in Afghanistan gab, die Aufrechterhaltung einer globalen Liste mit Terroristen geht weit über die Kompetenzen des Sicherheitsrates hinaus. Obwohl der internationale Terrorismus ein grausames Verbrechen bleibt [...] rechtfertigt er nicht das Ausüben von supranationalen Sanktionsmaßnahmen gegen Individuen und Personen durch den Sicherheitsrat.

In Blacklisted wird gezeigt, dass es bei der ganzen Problematik nicht lediglich um einzelne Gesetze geht, die geändert werden müssten. Es kann auch nicht den Staaten, politischen Entscheidungsträgern oder Gerichten überlassen werden, eigenständig Lösungen zu finden. Eine breite öffentliche Diskussion über den Umgang mit Terrorismus und die Natur von politischen Gemeinschaften muss angestoßen werden, wenn man das fortbestehende Problem der Listen nicht nur kontrollieren, sondern lösen möchte.

Der Bericht ist der erste Band der Publikationsreihe 10 Jahre nach 9/11 des ECCHR, deren Autoren das Erbe des ‚Kriegs gegen den Terror' kritisch analysieren und untersuchen wollen, inwieweit dadurch in den Jahren nach dem 11. September 2001 neue Macht- und Gewaltkonstellationen und neue Techniken der gesellschaftlichen Kontrolle geschaffen worden sind.

Eine Printversion des Berichts ist auf Anfrage (info@ecchr.eu) erhältlich.

Siehe auch:Mit Drohnen -Überwachungssystem ganze Städte beobachten (und gezielt kriegsmorden)

- Gavin Sullivan: Rethinking terrorist blacklisting, Guardian

Scott Horton: Knowing a terrorist when you see him, Harpers's Magazin

- Bundesregierung will weiter das heikle Thema des "gezielten Tötens" umschiffen

Blacklisted - Executive summary Blacklisted - Executive summary.pdf (296,1 kB)

Blacklisted Blacklisted.pdf (712,2 kB)

Quelle: http://www.ecchr.de/index.php/Terrorismuslisten/articles/blacklisted-targeted-sanctions-preemptive-security-and-fundamental-rights.868.html

http://www.ecchr.de/news_details/items/neuer-ecchr-bericht---blacklisted-targeted-sanctions-preemptive-security-and-fundamental-rights.html

 

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3. Juli 2010 6 03 /07 /Juli /2010 16:43

CIA-ENTFÜHRUNGSFLÜGE: KLAGE VON US-GERICHTEN ABGELEHNT, ABER ERMITTLUNGEN DURCH KANADISCHE POLIZEI

US-amerikanische Gerichte haben eine Schadensersatzklage des kanadischen Staatsbürgers Maher Arar, der vom amerikanischen Geheimdienst CIA nach Syrien verschleppt und monatelang gefoltert worden war, abgelehnt. Das letztinstanzliche Gericht, der US-Supreme Court, beschloss im Juni 2010, den Fall nicht anzunehmen. Unterdessen leitete die kanadische Polizei Ermittlungen ein, bei denen die Rolle von US-amerikanischen und syrischen Offiziellen bei der Entführung und Misshandlung Arars untersucht werden soll.

Maher Arar, dem in keinem der beteiligten Länder Straftaten nachgewiesen werden konnten, hatte in den USA eine Schadensersatz-Klage eingereicht, bei der er vom Center for Constitutional Rights vertreten wurde. Das ECCHR unterstützte den Fall vor dem Supreme Court mit einem Amicus Curiae Brief. Die Gerichte lehnten den Fall jedoch unter anderem mit der Begründung ab, dass der Schutz nationaler Sicherheitsinteressen ein Gerichtsverfahren nicht zulasse. Die Obama-Administration führte dabei in Ihren Stellungnahmen die Politik und Argumentationsstrategie der Bush-Regierung fort. Der von Präsident Obama vielfach versprochene Wandel blieb hier aus. Dies ist umso verwunderlicher als ein Untersuchungsausschuss in Kanada schon zahlreiche Fakten und Umstände der Verschleppung von Maher Arar nach Syrien aufgeklärt und veröffentlicht hatte. Zudem ist - wenn auch teilweise eingeschränkt - in anderen Ländern der Zugang zu Gerichten möglich, auch wenn es um staatliche Geheimhaltung geht.

In der Zwischenzeit hat die kanadische Polizei mit der Untersuchung des Falls Arar begonnen, um die Verwicklung von amerikanischen und syrischen Offiziellen aufzudecken. Maher Arar war am New Yorker Kennedy-Flughafen entführt und nach Syrien verschleppt worden, wo er fast ein Jahr lang festgehalten und gefoltert wurde. Bis heute wurde der Fall in den USA nicht untersucht. In anderen Länder wurden bereits Untersuchungen zu dem so genannten „Extraordinary Rendition Programm", das von der CIA seit dem 11. September 2001 durchgeführt wird, eingeleitet. Zu diesen Ländern zählen Polen, Litauen, Bosnien-Herzegowina, Spanien, Deutschland und Italien.

 

Quelle: http://www.ecchr.de/fall-arar/articles/cia-entfuehrungsfluege-klage-von-us-gerichten-abgelehnt-aber-ermittlungen-durch-kanadische-polizei.html

oder http://bit.ly/cV2zaw

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2. Juli 2010 5 02 /07 /Juli /2010 15:41

Der Schweizer Staatsschutz hat Daten über 200.000 Personen erfasst und diese "nicht gesetzeskonform" verarbeitet. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Schweizer Parlaments. Die parlamentarische Oberaufsicht forderte am Mittwoch in Bern den Einsatz eines externer Datenschutzbeauftragten. Der solle nun bestimmen, welche Daten in der Datenbank ISIS (Informatisiertes Staatsschutzinformationssystem) gelöscht oder behalten werden dürfen

 

GPDel-Präsident Claude Janiak rügte, die Datenbearbeitung sei "nicht gesetzeskonform erfolgt". Bei der Geheimdienstdatensammlung sei vor allem die Pflege und Systematik der Datenbank über Jahre hinweg enorm vernachlässigt worden, bemängeln die parlamentarischen Kontrolleure. Daten von heute 120.000 erfassten Personen "mit eigener Staatsschutzrelevanz" seien nicht richtig überprüft worden, häufig seien falsche Daten eingetragen worden. Um Kontrollen vorzutäuschen seien Daten auch verfälscht worden, heißt es in dem Bericht (PDF) der GPDel.

 

Rund die Hälfte der 200.000 Datensätze des Nachrichtendiensts seien zudem überhaupt nicht direkt von Belang. Unter den in ISIS gespeicherten Personen sind etwa auch 83.000 sogenannte Drittpersonen, die in der Mehrheit nicht staatsschutzrelevant seien. Ihre Speicherung, so folgert die GPDel, entspreche nicht den rechtlichen Vorgaben. Drittpersonen sind etwa erfasst, weil sie eine Verbindung zu einer registrierten Person oder zu einer Meldung in der Datenbank haben. Vor allem handelt es sich um über 50.000 Personen, die aufgrund der sogenannten Fotopasskontrolle registriert wurden. Im Rahmen dieses präventiven Fahndungsprogramms werden Personen aus einem Dutzend Staaten an der Grenze erfasst, wenn sie in die Schweiz ein- und ausreisen.

 

Die Mängel bei der Qualitätskontrolle haben nach den Erkenntnissen des Parlaments auch mit einer Umstellung auf ein neues Datenbanksystem zu tun. 2005 wurden die Daten aus dem alten, hierarchisch organisierten ISIS-System in eine relationale Datenbank mit dem Namen ISIS-NT (Neue Technologie) übertragen. Zudem haben die Nachrichtendienste laut GPDel in großem Ausmaß vernachlässigt, die gesetzlich alle fünf Jahre vorgeschriebene Überprüfung vorzunehmen.

 

Das vernichtende Fazit der parlamentarischen Kontrolleure: Die Datenerfassung entspricht den rechtlichen Anforderungen "in keiner Art und Weise", was "Zweifel an der Richtigkeit und Relevanz der Daten" aufkommen lasse. Die GPDel fordert nun eine provisorische Datensperre aller Daten, die nicht ordnungsgemäss überprüft wurden. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte (EDÖB) Hanspeter Thür hatte der GPDel entsprechende Hinweise gegeben. "Die Größenordnung zeigt, dass eine gewisse Eigendynamik entsteht, wenn Amtsstellen verpflichtet werden, Daten zu sammeln", sagte Thür und forderte eine Stärkung der beiden Aufsichtsorgane GPDel und EDÖB.

 

Mit Blick auf die sogenannte "Fichenaffäre" stellte Janiak zudem fest, dass ein Kulturwandel beim Staatsschutz wohl nicht stattgefunden habe. Die der Affäre den Namen gebende Personenkartei hatte Ende der 1980er Jahre einen der größten politischen Skandale der Schweiz ausgelöst hatte. Dabei stellte sich heraus, dass Bundespolizei und Nachrichtendienst rund 900.000 Personen, Organisationen und Ereignisse bespitzelt hatten. Jeder zwanzigste Schweizer und jeder dritte Ausländer war in der Kartei erfasst, die 1994 von ISIS abgelöst wurde. (Tom Sperlich) /

(vbr)

 

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13. Juni 2010 7 13 /06 /Juni /2010 09:00

 

"Find, fix and finish" hieß die Mission: Findet das Ziel, fixiert die Person und feuert sie ab. Der Bundestag befasst sich nun mit dem US-Geheimdiensteinsatz.

Das Ziel der Geheimdienstmission war nach einem Bericht des US-Magazins „Vanity Fair“ der in Hamburg lebende Deutsch-Syrer Mamoun Darkanzanli. Der Finanzier und Kontaktmann des Terrornetzwerks Al Qaida sollte dem Bericht zufolge im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA liquidiert werden – und zwar von Killern der amerikanischen Söldnertruppe Blackwater auf deutschem Boden. Vom 27. Januar an will nun der Innenausschuss des Bundestags dahinter kommen, ob die zwielichtige Schattenarmee der Amerikaner tatsächlich Ziele in Deutschland angepeilt hat.

„Es könnte ein schwerwiegendes diplomatisches Problem für die Obama-Regierung werden“, sagte der amerikanische Blackwater-Experte und Buchautor Jeremy Scahill dem Radiosender „Democracy Now“. Die deutsche Regierung beginne nun Fragen zu stellen. Und nicht nur sie. An Blackwater, der berüchtigten Söldnertruppe, die überall dort im Dienste der US-Armee steht, wo mit dem Killen Geld zu machen ist, scheiden sich in den USA die Geister.

Die Sicherheitsfirma war von der US-Regierung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ursprünglich angeheuert worden, um US-Soldaten im Irak und am Hindukusch zu schützen. Mit der Zeit wuchsen dann die Aufgaben der Privatarmee. Laut „New York Times“ entwickelte sich zwischen Söldnern und CIA eine immer stärkere Zusammenarbeit.

Die Söldnerarmee ist eine der größten der Welt. Die 40 000 Mann starke Privattruppe soll über so viele Panzer, Flugzeuge und Munition verfügen, dass sie allein in einen Krieg ziehen könnte. Gründer von Blackwater und seiner Nachfolgefirma „Xe Services“ ist der frühere Marinesoldat Erik Prince. Der Millionenerbe aus Michigan war in den 90er Jahren in die boomende Branche der Sicherheitsfirmen eingestiegen. Der Söldnerchef entwickelte sich zu einer schillernden Figur, die für manchen Hollywoodstreifen die Vorlage für den Halunken abgegeben haben soll. Scahill zitierte ehemalige Blackwater-Söldner, die unter Eid ausgesagt hatten, dass Prince „sich selber als christlicher Kreuzzügler sieht, mit der Aufgabe, Muslime und den islamischen Glauben von der Welt zu eliminieren“.

Ehemalige Geheimdienst-Mitarbeiter haben vor einem Senatsausschuss ausgesagt, dass Blackwater-Söldner auch an Folter-Verhören in CIA-Geheimgefängnissen beteiligt waren. Außerdem werden die Privatsoldaten mit zahlreichen anderen schmutzigen Geschäften in Verbindung gebracht: darunter Kinderprostitution, Vergewaltigung und Waffenhandel im Irak. Die demokratische Abgeordnete Jan Schakowsky, die im Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses sitzt, sagte kürzlich zum mutmaßlichen Einsatz von Blackwater in Hamburg: „Allein, dass es diese Anschuldigungen gibt, gibt einen Eindruck davon, in welchem Maße Blackwater komplett verwoben mit Geheimdienstoperationen war.“  

Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/international/geheimdienstmission-blackwaters-killerraetsel-von-hamburg/1670964.html

--

- UN - Konvention gegen Straffreiheit für Söldner in Arbeit

- Buch: Private Military Companies - Akteure in rechtlichen Grauzonen

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6. Juni 2010 7 06 /06 /Juni /2010 07:12

Die deutsche Sicherheitsfirma Asgaard German Security Group, die einen Einsatz mit ehemaligen Bundeswehrsoldaten in Somalia plant, gerät immer mehr ins Zwielicht.

Der Tagesspiegel berichtet in seiner Samstagsausgabe, dass Asgaard-Geschäftsführer Thomas Kaltegärtner nach Angaben der Stadt Telgte, dem Sitz des Unternehmens, dort kein Gewerbe angemeldet hat. Auch im Handelsregister wird das Unternehmen nicht geführt. Laut Auskunft des zuständigen Amtsgerichts in Münster wurde eine Vorgängerfirma mit dem Namen Asgaard German Security Guards 2008 aus dem Handelsregister gelöscht nachdem ein Insolvenzverfahren "mangels Masse" abgelehnt worden war. Dem Tagesspiegel sagte Kaltegärtner, eine Anmeldung für das aktuelle Unternehmen sei in Vorbereitung.

Der ehemalige Zeitsoldat hat einen Vertrag mit einem somalischen Politiker geschlossen, der sich für den rechtmäßigen Präsidenten des Bürgerkriegslandes hält. Galadid Abdinur Ahmad Darman, der bisher nur Experten bekannt war, lebt überwiegend in den USA und gilt als wohlhabend.

Zum geplanten Einsatz verstrickt sich Asgaard-Geschäftsführer Kaltegärtner zunehmend in Widersprüche. Dem Tagesspiegel sagte er, er wolle in Somalia erst aktiv werden, wenn Darman von den UN anerkannt sei und die Regierungsgeschäfte übernommen habe. Dann sollten ehemalige Bundeswehrsoldaten im "hohen dreistelligen Bereich" Darmans Regierung schützen und die somalische Armee ausbilden. Gleichzeitig legte er dem Tagesspiegel ein Dokument zur Ansicht vor, in dem "Präsident Darman" Asgaard schon im Januar autorisierte, Waffen und Ausrüstung nach Somalia einzuführen. Dies würde klar gegen UN-Sanktionen und das deutsche Außenwirtschaftsgesetz verstoßen.

Darman veröffentlichte am 16. Dezember 2009 eine Pressemitteilung in der es heißt, der Vertrag mit Asgaard umfasse die "operative Umsetzung und Durchführung aller Maßnahmen, die notwendig sind, um Sicherheit und Frieden wieder herzustellen". In einem Interview mit dem NDR sprach Darman konkret von möglichen Kampfeinsätzen.

Gegen Thomas Kaltegärtner laufen inzwischen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Geprüft wird ob der Straftatbestand "Anwerben für einenfremden Wehrdienst" nach Paragraf 109h Strafgesetzbuch vorliegen könnte. 

Quelle: http://www.presseportal.de/pm/2790

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Ex-Blackwater-Söldner sollen US-Konsulate schützen

Lukrativer Vertrag für "Xe Services"

Kabul - Die früher unter dem Namen Blackwater bekannte US-(un)Sicherheitsfirma Xe Services hat einen lukrativen Vertrag zum Schutz neuer US-Konsulate in Afghanistan erhalten. Die Firma soll die diplomatischen Vertretungen der USA in Herat und Masar-i-Scharif beschützen und erhält dafür 120 Millionen Dollar, wie die US-Botschaft in Kabul am Samstag mitteilte.

Unter dem Namen Blackwater hatte das Unternehmen Sicherheitskräfte für den Irak bereitgestellt. Die Firma geriet wegen ihrer Mordtaten in Bagdad 2007 in Verruf, bei der 17 Menschen getötet wurden, darunter Frauen und Kinder. Das Blutbad rief im Irak große Empörung hervor. (APA/apn)

Quelle: http://derstandard.at/1276413542203/Ex-Blackwater-Soeldner-sollen-US-Konsulate-schuetzen

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28. Mai 2010 5 28 /05 /Mai /2010 02:12

Die Mailänder Stadtverwaltung will schrittweise alle Videodaten öffentlicher Kameras mittels Software auf "verdächtiges Verhalten" scannen

Als eine der ersten europäischen Städte hat Mailand eine Software eingeführt, die Daten aus öffentlichen Überwachungskameras automatisiert auf zuvor klassifiziertes, unerwünschtes Verhalten analysiert und gegebenenfalls einen Alarm ausgibt. Während herkömmliche Kameras permanente Panorama-Aufnahmen erzeugen, soll das auf biometrischen Verfahren basierende System genauer hinsehen, den Beamten die Arbeit erleichtern und Hinweise zum Eingreifen geben. Hierfür hatte die Polizei in den vergangenen Wochen eine neuerliche Testphase durchgeführt.

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Die Abdeckung mit Kameras im öffentlichen Raum zählt laut der Mailänder Tageszeitung [extern] Corriere della Sera mit derzeit 1.326 städtischen Kameras zu einer der höchsten Europas. 2007 hatte die Stadt allein 60 Millionen Euro für 700 neue CCTV-Kameras investiert. Hinzu kommen 1.300 Geräte an den drei Metro-Linien sowie private Systeme in Banken und Shopping Malls. Die Polizei verfügt zudem über zwei Helikopter und Fahrzeuge mit mobiler Leitstellentechnik.

Das von der städtischen Gemeindepolizei betriebene Überwachungsnetz hatte zunächst hervorragende Dienste bei der Verfolgung von Verkehrssündern geleistet. Immerhin 3 Millionen Mal wurde 2008 [extern] zur Kasse gebeten – eine Million Strafzettel mehr als im Vorjahr. In einer zweiten Stufe steht nun der Ausbau automatisierter Kriminalitätsbekämpfungssysteme bevor.

Die kriminalpolizeiliche Tätigkeit der einst ausschließlich im Verkehrs- und Meldewesen sowie der Gewerbekontrolle tätigen Gemeindepolizisten nahm derart zu, dass hierfür eigens ein so genanntes "Zentralbüro für Verhaftungen" eingerichtet wurde. "Von Verordnung zu Verordnung werden wir Lokalpolizisten zu regelrechten Polizeibeamten gemacht", kommentiert der gewerkschaftliche Vertreter der Gemeindepolizisten Roberto Miglio. "Von wegen Straßenverkehrsordnung und Verkehrslage, mittlerweile müssen wir uns schon um Verhaftungen kümmern."

Die Berufung eines neuen Korpskommandanten im September 2009 hatte Miglio als Konkretisierung der Gefahr einer "Transformation" seiner Berufsgruppe kritisiert. Sein neuer Vorgesetzter ist Tullio Mastrangelo, einst Vorstandmitglied der privaten "Agentur für unkonventionelle Sicherheit" [extern] M&P. Der wahre Befehlshaber sei aber Riccardo De Corato, Vizebürgermeister und Sicherheitsbeauftragter der Stadt Mailand.

"Technologische Avantgarde"

Vor zwei Wochen hatte die Polizei eine neuerliche [extern] Testphase zur automatisierten Auswertung von Videodaten auf dem Piazzale Cadorna abgeschlossen, einem Knotenpunkt der Stadt. Laut Vizebürgermeister De Corato [extern] dient die bereits seit längerem eingesetzte kommerzielle Software der selektiven Erfassung strafbarer Vorgänge im Stadtbild.

Im Mittelpunkt stehen Raubdelikte, Schlägereien, Graffitimalereien sowie potenzielle Indizien für Anschläge wie verlassene Taschen und Pakete. Zur raschen Intervention bei Schlägereien soll bereits das Zustandekommen einer Menschenansammlung genügen, um einen entsprechenden Alarm in der Überwachungszentrale auszulösen. Als "verdächtiges Verhalten" gelten der Polizei zudem längere Zeit vor einer Wand verweilende oder rennende Personen.

Coratos' Stolz auf einen kürzlich abgeschlossenen neuen Test an der Piazzale Cadorna mündet in einer Einladung an den italienischen Innenminister Roberto Maroni, der sich von der "technologischen Avantgarde" Mailands überzeugen möge. Die eingesetzte Plattform soll aus Israel stammen und bereits seit Jahren sowohl in Tel Aviv als auch London eingesetzt werden. Ihrer Verwendung in Mailand steht nichts im Wege, es sei denn, der Datenschutzbeauftragte legt ein Veto ein.

Der [extern] Austausch von Daten und Informationen unter den Mailänder Behörden ist rege. Im Jahr 2009 bezogen Polizeien und Staatsanwaltschaften von der Überwachungszentrale der Stadt Mailand 2.025 Filmdokumente, im ersten Quartal diesen Jahres bereits 700. Bezugsquelle ist eine "control room" genannte [extern] zentrale Leitstelle der Gemeindepolizei, die mit 48 Bildschirmen ausgestattet ist. Perspektivisch sollen hier bald alle Kameras der Stadtverwaltung einer Bearbeitung durch die biometrische Software zugeführt werden.

Vizebürgermeister De Corato [extern] beabsichtigt zudem, die Zahl der Kameras von Sony, Bosch, Pelco und Siemens auf 4.000 zu erhöhen. Bis zum Sommer sollen zunächst [extern] 200 "intelligente Kameras" in den aktuellen Bestand integriert werden.

Der Mailänder Datenschutzbeauftragte reagierte auf die Entwicklungen erst im Jahr 2009 mit einer [extern]  neuen Richtlinie, die unter anderem zur Kenntlichmachung von Videoüberwachung verpflichten soll. Kameras, die mit den Polizeiämtern vernetzt sind, sollen explizit als solche [extern] ausgewiesen werden.

Überwachung von Roma-Siedlungen und der Expo 2015

[extern] Begonnen wurde mit der 469.000 Euro teuren Platzierung von 20 kabellosen Kameras in vier von der Stadt kontrollierten Roma-Siedlungen bereits im April. Die Bewohner der städtisch kontrollierten Siedlungen unterliegen strengsten Regeln, bei Nichteinhaltung ist ein weiterer Aufenthalt untersagt. Spontane Roma-Siedlungen werden systematisch geräumt – seit 2007 wurden allein 275 solcher Einsätze [extern] gezählt.

Auch hier kommen zunehmend Gemeindepolizisten zum Einsatz, die seit kurzem mit Ausrüstung zur Aufstandsbekämpfung [extern] ausgestattet wurden, was zu harscher Kritik und hitzigen Debatten geführt hat. In den letzten Jahren hatte es auch in Mailand pogromartige Übergriffe gegen Roma gegeben, die von den Innenpolitikern geschürt wurden. Im Mai 2008 hetzte Innenminister Maroni, alle Camps würden sofort abgerissen und die Bewohner entweder ausgewiesen oder eingesperrt, De Corato schlug eine "Quote" für Roma vor.

Der Vizebürgermeister hat sich allerdings noch ehrgeizigere Ziele gestellt. Bereits im Februar 2009 [extern] kündigte er an, dass auch die rund 12.000 privaten Überwachungskameras in das städtische System integriert werden sollen. Die Aufrüstung der Kontrollsysteme soll nach seinen Vorstellungen auch die Sicherheit des "Major Event" Expo 2015 in Mailand gewährleisten. Hierzu unterhält De Corato engen Kontakt mit britischen IT-Spezialisten, die an der Errichtung der Sicherheitsarchitektur für die Olympischen Spiele 2012 in London [extern] arbeiten.

"Intelligente Überwachung" seit 2006

Die softwaregestützte Risikoanalyse von Videodaten wird in Italien bereits seit 2006 getestet. Der Stadtrat von Verbania am Lago Maggiore folgte einem Vorschlag des selbsternannten "Sicherheitsexperten" Mario Grippa, der ein auf Netzwerkkameras beruhendes Sicherheitskonzept ausgearbeitet hatte. Grippa, der auch die Stadt Mailand berät, schlug vor, eine Alternative zu herkömmlichen Kabelsystemen zu installieren.

Zum Zuge kamen in Verbania zehn Sony-Netzwerkkameras des Typ SNC-RX550, die Fußgängerzonen, Anleger für Fähren und den Hafenbereich überwachen. Die Kameras verfügen laut [extern] Sony über "intelligente Funktionen zur Bildanalyse", die im Ereignisfall einen Alarm ausgeben. Sie zeichneten sich durch eine hohe Empfindlichkeit aus, um auch bei wenig Licht scharfe Bilder zu liefern. Die Daten werden in zwei Kontrollzentren übertragen. Die Netzwerkkameras "gehören zur neuesten Generation von Überwachungstechnologie", sekundiert Berater Grippa, "man könnte sie auch als intelligente, lernfähige Kameras bezeichnen".

2008 [extern] führte Grippa eine Reihe von Journalisten durch die Kommandozentrale der Mailänder Polizei, die ebenfalls Sony-Kameras getestet hatte. "Hauptsächlich bekämpfen wir terroristische Bedrohung", [extern]  erklärt er. Auch in Mailand kam damals Software zum [extern]  Einsatz, die etwa ab einer bestimmten Anzahl von Personen vor dem Mailänder Dom oder auch längere Zeit verweilenden Besuchern Meldungen generierte.

Die automatisierte Auswertung von Videodaten wird im Rahmen zahlreicher EU-Projekte beforscht und finanziert ([local]  "Schon heute wissen, was morgen sein wird"). Die "Intelligente Überwachung" ist als eigener Schwerpunkt des gegenwärtigen Europäischen Sicherheitsforschungsprogramms (ESRP) ausgewiesen. Als dessen Querschnittsaufgabe gilt die "Integration, Zusammenschaltung und Interoperabilität von Sicherheitssystemen".

Um die immer größer werdende Informationsdichte polizeilicher Datensammlungen sinnvoll zu analysieren, fordern europäische Innenminister im Einklang mit der Industrie die zunehmende Einführung von auf biometrischen Verfahren basierender Software. Zahlreiche Rüstungs- und Softwareunternehmen konkurrieren auf dem wachsenden Markt für "Predictive Analytics", laut den Anbietern sind die Plattformen bereits an etliche Polizeien und Geheimdienste in Europa verkauft worden.

In die im Hintergrund arbeitende IT-Struktur können auch fliegende Kameras eingebunden werden ( [local] Fliegende Kameras für Europas Polizeien ). Das EU-Forschungsprojekt INDECT will bis 2013 eine Plattform entwickeln, innerhalb derer mit Kameras ausgerüstete Mikrodrohnen "verdächtiges Verhalten" sowohl erkennen als auch die betreffenden Personen eigenständig verfolgen sollen. Auch in Mailand werden [extern]  seit mindestens 2007 mit Kameras ausgerüstete Flug-Roboter der deutschen Firma [extern]  AirRobot unter anderem zur Überwachung von Stadtteilen eingesetzt. Zu ihrer Anschaffung hatte der Vizebürgermeister stolz erklärt, die neue Technologie gehe "über traditionelle Ermittlungstechniken" hinaus. Mailand sei in dieser Hinsicht führend.

 

Artikel-URL: <http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32673/1.html>

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28. Mai 2010 5 28 /05 /Mai /2010 01:06

Im Dienst europäischer und bundesdeutscher Behörden:

Drohnen überwachen unbemerkt Ziele, erkennen selbständig Gerüche oder »abweichendes Verhalten« und könnten mit Waffen ausgestattet werden

Von Matthias Monroy

Im Schutz dichten Nebels schließen zwei Jugendliche einen Kleinwagen kurz. Die Polizei setzt, nachdem ein entsprechender Hinweis bei der Leitstelle eingeht, alle Hebel in Bewegung, um die beiden zu fangen. Zum Einsatz kommt unter anderem ein mit Thermokamera ausgerüsteter Flugroboter, dessen Bilder die Beamten auf die Spur der Verdächtigen bringen. Die Verfolgten können zunächst fliehen, lassen das Fahrzeug zurück und kauern sich ans Ufer eines Kanals. Trotz schlechter Sichtverhältnisse kann die fliegende Kamera allerdings ihre Körperwärme lokalisieren und »patrouilliert« über dem Versteck, bis die Polizei eintrifft.


Kein Zukunftsszenario, sondern stolze Erfolgsmeldung der Polizei in Liverpool. Erstmals hatte der Einsatz eines sogenannten Mikrokopters Anfang 2010 in Großbritannien zu einer Festnahme geführt. Die fliegenden Kameras werden seit 2007 von der Polizei der nordenglischen Stadt für »Rettungsmissionen« und Operationen gegen »antisoziales Verhalten« eingesetzt. »We are very pleased«, kommentiert Chief Inspector Gunatilleke von der »Anti-social Behaviour Taskforce« und droht weitere Einsätze an, etwa im Verbund mit Helikoptern oder Hundepatrouillen.
Überwachung von Stadtteilen
Die rund ein Kilogramm schweren Mikrodrohnen gehören zur Klasse der »Unbemannten Luftfahrzeuge« (Unmanned Aerial Vehicles, UAV). Ihre technische Bezeichnung »Quadrokopter« verweist auf die vier kleinen Rotorblätter, die von Elektromotoren angetrieben werden. Bestückt mit einem Lithium-Ionen-Akku können sie, abhängig vom Gewicht, bis zu 30 Minuten in der Luft bleiben.

Quadrokopter haben wenig mit den Drohnen gemein, die von Militärs beispielsweise im Irak, Afghanistan oder Indien eingesetzt werden (obgleich dort ein zunehmendes Bedürfnis nach leichteren UAV artikuliert wird). Während die militärischen Drohnen aus Höhen bis zu 15 Kilometern unbemerkt Aufklärungsdaten liefern und mit leichten Raketen bestückt werden können, fliegen die Mikrokopter nur rund 100 Meter hoch. Ihre aufgenommenen Videodaten werden per Funk zu einer in der Nähe befindlichen Empfangsstation (gewöhnlich ein Laptop) übertragen und können von dort in Leitstellen übermittelt werden. Die Mikrodrohnen können mit GPS-Modulen zur Satellitennavigation ausgerüstet werden, um programmierte Flugrouten einzuhalten und autonom zu einem festgelegten Punkt zurückzukehren. Zur Bedienung von UAV ist ein neues Berufsbild »Operator für unbemannte Luftfahrzeuge« entstanden, für die Steuerung der kleinen Mikrodrohnen reichen allerdings kurze »Luftfahrzeugfernführer«-Fortbildungen.

Europäische Polizeien experimentieren seit mehreren Jahren mit dem Einsatz fliegender Kameras im Polizeialltag, darunter in Paris und Mailand zur Überwachung von »Problemstadtteilen« oder in Amsterdam anläßlich einer Häuserräumung. Französische Polizeien hatten letztes Jahr ein Training zur Aufstandsbekämpfung durchgeführt, dessen zentraler Bestandteil die Aufklärung aus der Luft mittels eines Quadrokopters gewesen war. Das österreichische Innenministerium meldete jüngst, in der Ukraine mit Hilfe der europäischen Polizeiagentur Europol ein riesiges Cannabisfeld entdeckt zu haben. Zum Einsatz kam der fliegende Geruchsdetektor »Cana-Chopper«, der auch von der holländischen Polizei genutzt wird und angeblich selbst Plantagen in Gebäuden erschnüffelt.

Nicht immer beschränken sich die Verfolgungsbehörden auf die Nutzung der kleinen Mikrokopter und bedienen sich statt dessen der Aufklärungsdaten militärischer Drohnen. An der Schweizer Grenze haben UAV bereits beim Aufspüren illegalisierter Migranten geholfen. In Strasbourg patrouilliert jedes Jahr in der Silvesternacht eine Drohne, um das traditionelle Anzünden von Autos in den Griff zu bekommen. Bei den G-8-Gipfeln 2003 in Evian/Frankreich und 2009 in L’Aquila/Italien wurden Drohnen des Militärs eingesetzt, seitens der Schweiz ebenso bei der EURO 08 und dem NATO-Gipfel im Jahr 2009 an der Grenze zu Frankreich. Anläßlich der G-8-Gipfel in Schottland 2005 und St. Petersburg 2006 versorgten sich die Polizeien zudem mit Videomaterial von Kameras, die an kleine Zeppeline montiert waren. Im Januar hatte der britische Guardian berichtet, daß die Polizei in Großbritannien ab 2012 Drohnen der Firma BAE Systems für allgemeine Polizeiaufgaben wie Verkehrsüberwachung oder Umweltdelikte in die Luft schickt. Die mittelgroßen UAV, die auch für Belange des Ordnungsamts genutzt werden sollen, können bis zu 15 Stunden in der Luft bleiben.
Probeeinsatz bei BRD-Behörden
Als eines der ersten Bundesländer hatte das sächsische Innenministerium Anfang 2008 zwei Komplettsysteme eines »SensoCopters« für zunächst ein Jahr angemietet. Die »SensoCopter« werden vom Überlinger Rüstungskonzern Diehl BGT Defence in Kooperation mit der Firma Microdrones aus Kreuztal entwickelt. Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) kündigte damals ihren Einsatz bei Fußballspielen oder Demonstrationen an, um etwa »Rädelsführer in der Menschenmenge« zu identifizieren und beweiskräftige Bilder bei Gericht vorlegen zu können. »Die Drohnen bieten uns völlig neue Perspektiven in der Bild- und Videodokumentation«, erklärte hierzu der Sprecher des sächsischen Innenministeriums. Die Geräte sollen auch bei Entführungen und Geiselnahmen genutzt werden. Der großspurigen Ankündigung über Einsätze anläßlich von »Risiko-Spielen« im Dresdner Fußballstadion war allerdings kein Einsatz im öffentlichen Raum gefolgt. Der zunächst auf ein Jahr befristete Leasingvertrag wurde kurzerhand bis zum 31. Oktober 2010 verlängert.

Niedersachsen hatte Mitte 2008 für rund 47000 Euro einen vollausgerüsteten Quadrokopter der Firma Microdrones angeschafft. Laut Innenminister Uwe Schünemann (CDU) könnten die fliegenden Kameras eine »Schlüsselstellung zur schnellen Informationsgewinnung« einnehmen. Neben der Luftaufklärung, Einsatzführung, Beweissicherung und Dokumentation würde auch eine Nutzung für die »nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr« in Frage kommen, etwa bei Großschadenslagen oder Katastrophen. Auch in Hessen und Nordrhein-Westfalen haben die Innenministerien den zuständigen Landeskriminalämtern Aufträge zur Evaluation fliegender Kameras erteilt.

Zur Koordinierung der Tests auf Länderebene wurde von den Landesinnenministern und -senatoren 2007 eine »Bund-Länder-Projektgruppe ›Drohnen‹« zur Prüfung der »einsatztaktischen, rechtlichen und polizeitechnischen Aspekte« eingerichtet. Um die Produktpalette der getesteten Geräte zu erweitern, hatte auch die Bundespolizei mit »Aladin« und »FanCopter« zwei unterschiedliche UAV der Firma EMT aus Penzberg beschafft. Die Mitglieder der Projektgruppe sehen indes in ihrem als Verschlußsache eingestuften Abschlußbericht »weiteren Handlungsbedarf«. Demnach sei dringend eine »Marktbeobachtung und -auswertung technischer Lösungen« erforderlich.

Tatsächlich scheinen die polizeilichen Luftfahrzeugfernführer von der rasanten technischen Entwicklung der Drohnen überfordert. »Robotische Systeme oder auch mobile autonome Systeme stehen noch am Anfang der Erschließung des zivilen Sicherheitsmarktes«, folgert eine Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie erstellt wurde. Drohnen könnten demnach überall dort zum Einsatz kommen, wo eine »lokale, kurzfristige Verschärfung der zivilen Sicherheitslage zu befürchten ist«. Dazu zählen laut den Verfassern z.B. Sportereignisse, Messen, Demonstrationen, Staatsbesuche und Gefahrguttransporte. Weil die Mikrokopter immer kleiner werden, Antriebe effektiver ausgelegt sind und Batterien längere Flugzeiten erlauben, werden die Geräte für zivile Anwendungen zunehmend erschwinglich.

Die Studie prognostiziert stetig wachsende Umsätze mit einem Marktvolumen für 2015 und die Folgejahre von etwa 100 bis 250 Millionen Euro, wobei hier »Wehrtechnik unberücksichtigt bleibt«. Das Geschäft mit UAV boomt trotz Finanzkrise. Der gesamte Markt für große und kleine Flugroboter gilt laut einer Studie der Consultingfirma Teal Group als der »am meisten dynamisch wachsende Sektor innerhalb der Luftfahrtindustrie«.
»Polizeibeamte der Zukunft«
Die von Polizei-Quadrokoptern Beobachteten könnten mit dem
Die von Polizei-Quadrokoptern Beobachteten könnten mit dem mittels iPhone ferngesteuerten Parrot AR den behördlichen Fliegern das Leben schwermachen
Für die nähere Zukunft werden vor allem hinsichtlich Autonomie und Navigation entscheidende technische Fortschritte erwartet. Mikrodrohnen sollen bald ohne Satellitennavigation in Gebäude fliegen können, autonom in Schwärmen operieren und durch ein verbessertes Energiemanagement noch länger in der Luft bleiben. Dieses Jahr wurde die Energieversorgung durch Laserstrahlen erfolgreich demonstriert, womit die Geräte theoretisch nur noch zur Wartung landen müßten.

Zahlreiche Bundesministerien haben Forschungsprogramme installiert, die von »Industriepartnern« und Universitäten zusammen mit der »Anwenderseite« durchgeführt werden. Als eines der größten Probleme gilt das mangelnde Erkennen anderer Luftfahrzeuge und die Vermeidung von Zusammenstößen, weshalb die kleinen und großen Drohnen noch nicht im für die zivile Luftfahrt freigegebenen Luftraum operieren dürfen.

Im Projekt »AirShield« wird daneben zum Einsatz von Mikrodrohnen für den »Schutz kritischer Infrastrukturen« geforscht. »Gefahrenprognose und -abwehr« soll dabei von den fliegenden Kameras möglichst automatisiert erfolgen. Ihre »entscheidungsunterstützenden Informationen« und räumlichen Lagedarstellungen werden von der Software eines »Mission Control Centers« am Boden analysiert, um vermeintlichen Bedrohungen möglichst zuvorzukommen. Die gewonnenen Daten werden zu topologischen und geographischen Informationen in Beziehung gesetzt und den Verfolgungsbehörden als »Entscheidungshilfe« in einer »anschaulichen Form, zusammen mit Zusatzdaten, präsentiert«. »AirShield« will ebenso Anwendungen zur »Schwarmintelligenz« entwickeln, wodurch die Mikrodrohnen gemeinsam große Flächen effizient überwachen könnten. Rund ein Jahr nach Projektbeginn wurde in Dortmund angeblich weltweit erstmals »Schwarmverhalten im freien Feld« gezeigt. Die Entwickler freuen sich über eine »fruchtbare Zusammenarbeit der Disziplinen der Robotik, Informations- und Kommunikationstechnik, Verteilte Künstliche Intelligenz und Geoinformatik«.

Neben der bundesdeutschen Sicherheitsforschung gibt es auch auf europäischer Ebene mindestens ein Dutzend Forschungsvorhaben zur Nutzung kleiner und großer Drohnen für Verfolgungsbehörden und Militär. Um die Stärke und Unabhängigkeit der europäischen Robotikindustrie weiter auszubauen, hatte die Europäische Kommission die Förderung der europäischen Robotikforschung zwischen 2007 und 2010 auf fast 400 Millionen Euro verdoppelt. EADS Defence & Security und der EADS-Ableger Astrium meldeten im Winter, ein von ihnen geführtes Konsortium sei für eine sechsmonatige Machbarkeitsstudie ausgewählt worden, um Satellitenkommunikation für den sicheren Flug von UAV im zivilen Luftraum zu ermöglichen. Die Forschungsgelder werden von der Europäischen Verteidigungsagentur vergeben. Zum Konsortium aus elf Partnern gehört auch die deutsche Firma IABG aus Ottobrunn.
Fliegende Elektroschocker?
Der Einsatz fliegender Kameras wird zudem in Plänen zur Kontrolle des urbanen Raums und frühzeitigen Erkennung »abweichenden Verhaltens« vorangetrieben. Wie das deutsche »AirShield«-Projekt will etwa das EU-Programm INDECT eine Plattform entwickeln, mit der »Polizeibeamte der Zukunft« in nicht allzu ferner Zeit mit Quadrokoptern auf Streife gehen könnten. Demnach würde der Späher in der Luft verdächtiges Verhalten nicht nur klassifizieren und einen Alarm ausgeben können, sondern Verdächtige eigenständig verfolgen. Währenddessen entscheiden sich die Beamten am Boden entweder für diskrete Observation oder Zugriff. Die Daten müssen in guter Qualität aufgezeichnet werden können, um sie in späteren Gerichtsverfahren verwerten zu können.

Neben der Universität Wuppertal sind auch die beiden deutschen Unternehmen PSI Transcom und Innotec Data an INDECT beteiligt; in einigen Veröffentlichungen finden sich zudem Hinweise auf die Zuarbeit des Bundeskriminalamts. In einem Arbeitspapier fordern britische, spanische und polnische Polizisten und Wissenschaftler, daß die in INDECT entwickelten Systeme nicht nur im Krisenfall eingesetzt werden sollen. Statt dessen sollten sich die Polizisten an ihre Handhabung im Polizeialltag gewöhnen, damit sie nicht bei Großschadenslagen überfordert seien.

Bislang tragen Mikrokopter keine Waffen, obschon Hersteller wie polizeiliche Anwender beim bloßen Herumfliegen mit Kameras bereits jetzt Langeweile empfinden. Wie auch bei den vom Militär genutzten Drohnen soll der Aufgabenbereich der Mikrodrohnen zügig über die Informationsgewinnung hinausgehen. Laut der deutschen Firma AirRobot kann ihr Quadrokopter mit chemischen Sensoren, Laserpointern und Nebelgranaten ausgerüstet werden. Der europäische Importeur der Firma Taser International tut kund, an der Entwicklung von fliegenden Elektroschockern zu arbeiten. Der französische Hersteller Tecknisolar Seni will Mikrokopter mit Flashball-Pistolen ausrüsten, die auch Tränengas verschießen können. Laut dem sicherheitstechnischen Trendmagazin Wired betreibt die britische Polizei zudem die fliegende Nutzung anderer vermeintlich »nicht tödlicher Waffen« zur Handhabung bei Menschenmassen und abweichendem Verhalten im urbanen Raum. Die Flugroboter könnten demnach mit Stroboskop­leuchten oder Soundkanonen (Long Range Acoustic Device) ausgerüstet werden. Eingesetzt würden hierfür sowohl kleine Quadrokopter von AirRobot als auch die größeren, militärisch genutzten Drohnen von BAE Systems. Soundkanonen wurden bereits am »Camcopter« der österreichischen Firma Schiebel getestet. Der »Camcopter«, der einem Minihubschrauber ähnelt, kann darüber hinaus mit kleinen Raketen bestückt werden. Die Firma wirbt mit der guten Eignung des Produkts für Operationen psychologischer Kriegführung, indem etwa Flugblätter hinter feindlichen Linien abgeworfen würden. Seit zwei Jahren wird das Gerät von der deutschen Marine getestet.
Politik arbeitet zu
Um die fortschreitende militärische, polizeiliche, gewerbliche und private Nutzung unbemannter Luftfahrzeuge und die damit lange ungeklärten Fragen der Luftsicherheit einzugrenzen, hat die Bundesregierung kürzlich die Luftverkehrsordnung (LuftVO) geändert. Gerade wegen der zunehmenden Fähigkeit zum autonomen Flug mittels GPS oder dem selbständigen Umfliegen von Hindernissen können die Mikrodrohnen nicht mehr als »ferngesteuerte Flugkörper« betrachtet werden. Als problematisch gilt ebenfalls die schlechte Sichtbarkeit von UAV »insbesondere bei Modellen, welche für Aufklärungsflüge konzipiert wurden«, die Steuerungskette durch Piloten oder die Zuverlässigkeit der Datenübertragung sowie atmosphärische Einflüsse auf die Funkverbindung und Störungen der verwendeten Frequenz.

Der Bundesrat war mit der Gesetzesvorlage unter anderem der wichtigsten Forderung der »Bund-Länder-Projektgruppe ›Drohnen‹« der Landesinnenminister und -senatoren nachgekommen. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung will mit der Änderung eine »Sicherheitslücke schließen, solange es noch keine anderweitigen Flugbeschränkungen für unbemanntes Luftfahrtgerät gibt«. Die im Januar beschlossene Gesetzesänderung sieht nun ein generelles »Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bzw. eine Genehmigungspflicht« vor. Das Ministerium kündigt eine »umfassende Gesetzes- und Verordnungsänderung in einem zweiten Schritt« an, will aber wegen des »noch nicht abgeschlossenen technischen Entwicklungsprozesses im Bereich der UAV« zunächst abwarten.

Nur im Ausnahmefall darf ein UAV mit einem Gesamtgewicht von über 25 Kilogramm betrieben werden. Das Verkehrsministerium muß hierfür zuvor ein »Flugbeschränkungsgebiet« einrichten. Als Einsatzmöglichkeiten für die leichten Mikrodrohnen, die unter die Gewichtsgrenze fallen, nimmt das Ministerium etwa Werbeflüge, Luftbildflüge für Journalisten, die Kontrolle und Überwachung von Hochspannungsleitungen oder Sprühflüge zum Verteilen von Insektiziden an. Die Behörde hatte sich mit der Abgrenzung von gewerblich genutzten Geräten gegenüber der stetig wachsenden Szene von Hobbyfliegern schwergetan, die sich längst nicht mehr mit Modellflugzeugen langweilt, sondern zunehmend mit programmierbaren Quadrokoptern den Luftraum verunsichert. Im deutschsprachigen Raum gibt es eine unüberschaubare Fangemeinde, die seit einigen Jahren von einem Versandhandel mit Bausätzen und Ersatzteilen versorgt wird. Ein Quadrokopter für den Selbstbau kostet dort als Basisversion rund 1000 Euro. Die extrem männerdominierten Freizeitbastler treffen sich auf Flugplätzen und sind unter anderem regelmäßig auf den Konferenzen des Chaos Computer Clubs präsent.

Gemäß der vorliegenden Fassung der Luftverkehrsordnung gelten die Hobbyflugroboter nicht als »unbemanntes Luftfahrtgerät«, wenn diese »ausschließlich zum Zweck des Sports oder der Freizeitgestaltung« betrieben werden. Problematisch, also nicht gesetzeskonform bleibt aber der Einsatz von Quadrokoptern, die per GPS oder anderen Techniken autonom und außerhalb der Sichtweite der steuernden Personen fliegen. Die »Erlaubnispflicht« für den gewerblichen Einsatz begründet das Ministerium zudem mit einem »grundsätzlich höheren Gefährdungspotential«, etwa bei Fotos von Unfallorten oder Demonstrationen. Folglich müssen auch die Länderpolizeien die zukünftige Nutzung von Flugrobotern (selbst zu Testzwecken) beim Bundesministerium für Verkehr genehmigen lassen.
Luftkampf per iPhone?
Nicht immer nimmt man es zugunsten von Überwachung und Kontrolle mit den Vorschriften so genau. Die großspurige Meldung der Polizei in Liverpool über die per Thermokamera eingefangenen angeblichen Autoknacker hatte kurz darauf die zuständige Luftfahrtbehörde auf den Plan gerufen, die die Geräte kurzerhand vom Himmel holte. Kleinlaut mußten die polizeilichen Luftfahrzeugfernführer zugeben, die auch in Großbritannien seit dem 1. Januar geltenden geänderten Luftfahrtvorschriften »übersehen« zu haben.

Immerhin werden langsam auch die deutschen Datenschützer hellhörig. Der Datenschutzbeauftragte des Landes Niedersachsens kritisiert, daß weder Polizei noch Innenministerium Sinn und Zweck der Flugeinsätze zur Prüfung vorgelegt hätten. Befürchtet wird zudem, daß Anwohner und Passanten anlaßlos gefilmt werden. Der Innenexperte der sicherheitskritisch angestrichenen FDP im nordrhein-westfälischen Landtag freut sich indes über die Drohnen, da sie leiser, unauffälliger und billiger als Helikopter seien und »wichtige Aufklärungsergebnisse für die Einsatzleitung der Polizei« liefern würden. Gerade bei »umfassenden Einsatzlagen wie etwa Großdemonstrationen« wären sie eine unverzichtbare Hilfe für die Polizei.

Fraglich bleibt, wie sich politische Aktivisten etwa bei der Ausübung ihres Demonstrationsrechts vor den fliegenden Kameras oder gar »nichttödlichen Waffen« schützen können. Neben altgedienten (natürlich nicht legalen) Mitteln wie Zwille oder Vermummung kommt Hoffnung ausgerechnet von Apples iPhone. Auf einer Elektronikmesse in Las Vegas hatte der französische Hersteller Parrot im Januar einen Quadrokopter präsentiert, der mit dem iPhone bzw. iPod touch gesteuert wird. Das Gerät ist mit einer Kamera ausgestattet, die die Bilddaten per WLAN direkt aufs Display überträgt. Damit kann das Spielzeug ohne Sichtkontakt intuitiv mit den Bewegungen des Handys bzw. iPod gesteuert werden. Parrot entwickelt hierzu eigens Spiele, um Kriegseinsätze zu simulieren und gegnerische Quadrokopter im »Luftkampf« abzuschießen. Durchaus ein Risiko für die Flugroboter im alltäglichen Polizeieinsatz, zumal der Anschaffungspreis deutlich niedriger liegen dürfte als die Quadrokopter für den Selbstbau.
Matthias Monroy ist Journalist, spezialisiert auf Sicherheitsarchitekturen und Polizeizusammenarbeit in Europ
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